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Rundwanderweg Halde Trages
Braunkohlenveredlungswerk Espenhain
Im Zuge der Kriegsvorbereitung des „Dritten Reichs“ erfolgte 1936 die Projektierung des Werkes, um den chronischen Erdölmangel durch die Karbochemie mit der Herstellung von Grund- und Treibstoffen aus Braunkohle zu kompensieren. Aus kriegsstrategischen Gründen (mögliche Bombardierungen) wurden die wichtigsten Produktionsanlagen doppelt ausgeführt. Am Standort befanden sich zwei Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von ca. 420 Megawatt (80 % des erzeugten Stroms gingen in das öffentliche Netz), zwei Brikettfabriken mit einer Gesamtkapazität von ca. 4,5 Millionen Tonnen, zwei Schwelereien sowie Anlagen zur Schwefelgewinnung, Teer- und Erdölverarbeitung. Bis zur Wende arbeiteten ca. 6.000 Menschen im Werk.
Meilensteine zur Standortentwicklung
- 03/1937 Beginn der Absteckarbeiten
- 1942 Fertigstellung der wichtigsten Betriebsteile
- 1944 volle Produktionskapazität erreicht
- 1944/1945 weitgehende Zerstörung durch vier Bombenangriffe (1.392 Treffer)
- 1950 weitgehender Wiederaufbau von Veredlung und Kraftwerken
- 1955–1965 Kraftwerkserweiterung (1955) und Blütezeit des Werkes
- 1968–1978 Anlagenbetrieb in „Verschleißfahrweise“
- 1988–1990 Bau einer vollbiologischen Abwasserbehandlungsanlage
- 08.02.1990 Beschluss des Ministerrates der DDR zur Einstellung der Karbochemie
- 27.08.1990 Abschaltung des letzten Schwelofens
- 11.04.1995 Abschaltung des Kraftwerks I nach 477.000 Betriebsstunden
- 28.04.1995 Einstellung der Rohkohleförderung im Tagebau Espenhain
- 1995/1996 Städtebaulicher Wettbewerb zur Standortentwicklung
- 30.06.1996 Stilllegung des Kraftwerks II nach 487.604 Betriebsstunden
Hauptbelastungsfaktor für die Umwelt waren die ohne nennenswerte Rauchgasreinigung produzierenden Anlagen, die 1988 ca. 100.000 Tonnen Schwefeldioxid und 21.000 Tonnen Staub emittierten. Das in der Abgasfahne liegende Dorf Mölbis sollte aufgrund der durch den zunehmenden Anlagenverschleiß zugespitzten lufthygienischen Situation noch 1990 umgesiedelt werden. Aus den Betriebsteilen Böhlen und Espenhain gelangten unter anderem ca. 795 Tonnen Phenol und 6.643 Tonnen Schwefelwasserstoff pro Jahr über die Gösel in die Pleiße. Die Abwasserlast des Werkes lag bei 700.000 Einwohnergleichwerten. Praktisch mit der Stilllegung der Karbochemie ging die biologische Stufe der Kläranlage in Betrieb und konnte kaum noch wirksam werden; diese wird heute für die kommunale Abwasserreinigung genutzt. Im Werk und seinem Umfeld vorhandene Altlasten entstanden vor allem durch Bombentreffer im Zweiten Weltkrieg, Wartungsmängel und Ablagerung unverwertbarer Reststoffe.
Die Umweltbelastungen, die die Lebensqualität im Südraum zunehmend beeinträchtigten, wurden seit dem Ende der 1970er Jahre durch das als Umweltgruppe gegründete Christliche Umweltseminar Rötha mit Appellen an die politisch Verantwortlichen und verschiedenen Aktionen öffentlich. 1983 fand in Mölbis der erste Umweltgottesdienst unter dem Motto: „Unsere Zukunft hat schon begonnen.“ statt. Die Aktion „Eine Mark für Espenhain“ sorgte für Aufmerksamkeit weit über die Region hinaus. Walter Christian Steinbach, in dieser Zeit Pfarrer in Rötha, übernahm 1990 die Verantwortung als Regierungspräsident in Leipzig. 1991 besuchte der Prinz und heutige König des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, Charles III. die Halde und informierte sich zu Umweltschäden und der begonnenen Sanierung.
Im Ergebnis der Sanierung im Zusammenwirken von Lausitzer und Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH mit den Kommunen konnte die Entwicklung des „Mitteldeutschen Industrieparks Espenhain“ schrittweise vorangetrieben werden. 2020 hatten sich hier bereits 28 Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen angesiedelt. Dazu zählen die Eisenbahn-, Bau- und Betriebsgesellschaft Preßnitztalbahn GmbH, die Geiger Edelmetalle GmbH, die MBS-TDE mbH, die Scholz Recycling GmbH, die Wermsdorfer Fisch GmbH, die FSL Frommhold Logistik & Spedition, ein Tennisleistungszentrum sowie Handelsbetriebe. Durch den direkten Anschluss an die Autobahn A 72 und den erhalten gebliebenen Gleisanschluss verfügt der Standort heute über beste infrastrukturelle Qualitäten für produzierende Gewerbeansiedlungen.